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Bundessozialgericht

Neues zum Persönlichen Budget (PB)

„Leistungen der Eingliederungshilfe, die rechtmäßig in Form eines Persönlichen Budgets bewilligt worden sind, dürfen nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden.“

Das könnte der Leitsatz des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.08.2022 (B 8 SO 3/21 R) werden.  Dieses Urteil trifft zu der rechtlichen Wirkung einer Zielvereinbarung wichtige Aussagen und schiebt einer weit verbreiteten Praxis einen Riegel vor. In der Zielvereinbarung, die nach § 29 Abs. 4 SGB IX abgeschlossen wird, ist regelmäßig festgehalten, dass der Leistungsberechtigte den zweckentsprechenden Einsatz des Persönlichen Budgets nachzuweisen habe. (§ 29 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX).  So lag es auch im Fall, den das LSG Rheinland-Pfalz (26.11.2020, L 1 SO 91/19) in der Vorinstanz zu entscheiden hatte und dabei zu dem Ergebnis gekommen war, dass nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X die bewilligten Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen und zurückverlangt werden können, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, die bewilligten Leistungen zweckentsprechend verwendet zu haben. Das BSG hat dieses Urteil aufgehoben und der Anfechtungsklage des Klägers stattgegeben.

Es ging in dem Fall um ein Persönliches Budget von etwa drei Jahren und einem Betrag von 250.800 Euro, die zurückgefordert wurden. Die betreffende Zielvereinbarung enthielt folgende Passage:

„Die zweckentsprechende Verwendung der Mittel ist durch Vorlage der Abrechnungen des leistungserbringenden Vereins oder anderer Leistungserbringer nachzuweisen.“

Der Leistungsträger war nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen, dass für den streitigen Zeitraum die zweckentsprechende Verwendung der bewilligten Leistungen nicht belegt worden sei. Daher widerrief er die Bewilligung und forderte nach § 50 SGB X die Leistungen zurück.

Das BSG entschied demgegenüber, dass der damalige Verwaltungsakt mit der Bewilligung des Persönlichen Budgets und die ergänzenden Regelungen in der Zielvereinbarung keine Widerrufsmöglichkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X eröffnen. Denn durch die Zielvereinbarung würden keine über die bereits im Gesetz bestimmten, originären verhaltenssteuernden Zweckbestimmungen begründet. Daher kann das Persönliche Budget weder gestützt auf eine behauptete zweckwidrige Leistungsverwendung noch auf die Nichterfüllung einer mit dem bewilligenden Verwaltungsakt verbundenen Auflage nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB IX widerrufen werden.

Der Kernpunkt der Entscheidung liegt darin, dass die in die Zielvereinbarung aufgenommene Verpflichtung dem Bewilligungsverwaltungsakt nichts Neues (Zusätzliches) hinzugefügt hat, sondern die Zweckbestimmung des Persönlichen Budgets „lediglich wiederholt und präzisiert“ hat. Mit anderen Worten: Das Persönliche Budget enthält bereits eine Zweckbestimmung, nämlich die Mittel zur Deckung des Bedarfs an Teilhabe zu verwenden. Daher enthält die Zielvereinbarung keinen darüberhinausgehenden originären Leistungszweck, der eine eigenständige Verhaltenspflicht des Leistungsberechtigten nach § 47 Abs. 2 SGB X begründen könnte. Der Leistungsträger hat allerdings die zweckentsprechende Mittelverwendung im Rahmen seiner Amtsermittlung zu überprüfen. Bei durchgreifenden Zweifeln an der zweckentsprechenden Mittelverwendung oder fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten, kann der Leistungsträger die Bewilligung eines Persönlichen Budget versagen oder (für die Zukunft) nach § 66 Abs 1 SGB I entziehen, aber – wie gesagt – nicht mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen.

Hinweis für die Praxis

Die Verpflichtung, die zweckentsprechenden Verwendung der Mittel nachzuweisen, besteht zwar als bereits im Gesetz angelegter Zweck des Persönlichen Budgets, da die Mittel natürlich geeignet sein müssen, den Bedarf an Teilhabe zu decken. Diese Verpflichtung führt ab er „nur“ dazu, dass gegebenenfalls das Persönliche Budget nach Ansicht des Leistungsträgers nicht (mehr) geeignet ist, sodass die Leistungen eingestellt bzw. für die Zukunft entzogen werden. Ein Widerruf der Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit scheidet aber aus.  Weder § 60 SGB I noch § 47 Abs. 2 SGB X lassen das zu.

Dr. Christian Grube

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