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Dr. Christian Grube

Leistungsvergütung durch die Bundesagentur für Arbeit bei Maßnahmen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen

Es ging dem hier anzuzeigenden Urteil des LSG Stuttgart (v. 14.12.2022, L 3 AL 4290/19) um das Leistungserbringungsrecht der Rehabilitation in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Und zwar betraf der Rechtsstreit den Eingangs- und Berufsbildungsbereich und die insoweit mit dem Leistungserbringer zu vereinbarende Vergütung. Das LSG hat die Klage des Leistungserbringers, die auf eine höhere Vergütung gerichtet war, unter Erwägungen zu 12 denkbaren Anspruchsgrundlagen abgewiesen und zudem auch verfassungsrechtliche Anspruchsgrundlagen oder Schutzbestimmungen nicht erkannt.

Das Urteil soll hier nur mit seinen Leitsätzen wiedergegeben werden; sie lauten:

  1. Zugunsten eines Trägers einer Werkstatt für behinderte Menschen greift keine gesetzliche Rechtsgrundlage ein, die die Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger verpflichten würde, mit ihm als Leistungserbringer eine bestimmte vertragliche Vereinbarung mit der von ihm geforderten Höhe der Vergütungen für die Bereiche Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich zu treffen. (Rn.50)
  2. Er hat auch weder einen Anspruch auf Ersetzung der bisher vereinbarten Vergütungen nach billigem Ermessen des Gerichts noch einen Anspruch auf Verurteilung der Behörde zur Neuausübung ihres Abschlussermessens über neue Kostensatzvereinbarungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. (Rn.114)
  3. Insbesondere ist es nicht geboten, die vom Bundessozialgericht entwickelte Rechtsprechung zur Ermittlung der Vergütung stationärer oder ambulanter Pflegeleistungen, häuslicher Krankenpflegeleistungen sowie ambulanter Krankenhausleistungen durch ein zweistufiges Verfahren (nachvollziehbare Kostenkalkulation und externer Vergleich) auf den Abschluss von Vergütungsverträgen in den Bereichen Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich zu übertragen. (Rn.114)
  4. Vielmehr findet lediglich eine Rechtskontrolle statt, ob der Leistungsträger die Grenzen des ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Verhandlungsspielraums missbraucht und dem Leistungserbringer Konditionen aufgezwungen hat, die mit seiner Stellung als öffentlich-rechtlich gebundener Träger unvereinbar sind (Anschluss an BSG vom 20.11.2008 – B 3 KR 25/07 R = SozR 4-2500 § 133 Nr 3, RdNr 34; BSG vom 17.2.2022 – B 3 KR 13/20 R = SozR 4-2500 § 133 Nr 7, RdNr 19). (Rn.124)
  5. Die vom Leistungsträger angebotene Vergütung ist insoweit sowohl am Maßstab der Art 12 Abs 1 sowie Art 3 Abs 1 GG als auch daraufhin zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen § 21 Abs 1 Nr 2 SGB IX aF beziehungsweise § 38 Abs 1 Nr 2, Abs 2 SGB IX nF stattgefunden hat. (Rn.124)

Dieses Urteil ist deshalb bemerkenswert, weil es bisher keine Entscheidung des BSG zum Bereich der Leistungsvergütung durch die Bundesagentur bei Maßnahmen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gibt.

Hinzuweisen ist ferner auf eine Besprechung des Urteils durch Eicher (jurisPR-SozR 4/2023 Anm. 5), in der der jetzige Rechtszustand scharf kritisiert wird. Denn es sei letztlich nicht hinzunehmen, dass ein Leistungserbringer keine effektive Möglichkeit besitzt, eine angemessene Vergütung zu erstreiten, da es – anders als im Arbeitsbereich – keine entsprechenden Regelungen für Vergütungsvereinbarungen gebe. Vor allem fehle ein Schiedsstellenverfahren. Besonders gravierend seien die Nachteile für die Leitungserbringer daher, weil sie nach § 220 SGB IX verpflichtet seien, jeden behinderten Menschen aufzunehmen, der die Aufnahmevoraussetzungen erfülle, ohne indes entsprechende Vergütungsansprüche zu besitzen. Eicher sieht eine Lösung des unhaltbaren Zustands letztlich darin, dass der Gesetzgeber tätig werden muss und etwa auch für diesen Bereich ein Schiedsstellenverfahren einführt.

Dr. Christian Grube

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